Montag, 13. Januar 2014

Post-Tour im Niemandsland // Post trip in no man's land

© Torben Weiß
© Torben Weiß
© Torben Weiß
© Torben Weiß
© Torben Weiß
Der Lichtkegel der Autoscheinwerfer beleuchtet Schneewehen, Geröll, braune Grasbüschel. In der Ferne erhellt das erste Licht des Morgens die tiefblauen Bergkuppen. Fischerboote dümpeln auf dem dunklen Fjordwasser, nur zwei orangefarbene Lichtpunkte. Wir sind im Niemandsland angekommen: In Islands Westfjorden.
Im vergangenen Jahr hatten wir Thordur zum ersten Mal getroffen. Damals besuchten wir seine Mutter Ása, die für ihre Gedichte und Lieder in der Region bekannt ist. Und wir verabredeten uns mit ihrem Sohn, denn er kennt diesen entlegenen Winkel Islands wie kaum jemand sonst: Thordur ist der Postmann.
Im Winter wird die Straße zu seinem Hof nicht geräumt. Dann schafft er den Weg in die nächste Stadt nur mit dem schweren Geländewagen – oder mit dem Schneemobil. Die Post hinterlegt ein Lastwagenfahrer an einer Raststätte in der Nähe. Von dort aus verteilt Thordur sie in der ganzen Region. Knapp 300 Kilometer fährt er pro Tour, für etwa 15 Höfe.
Wir haben ihn während eines Trips begleitet. Unterwegs begegnete uns unter anderem Sigurjon. Der Farmer besitzt eine der größten Plattensammlungen Islands. In seinem Regal stehen mehr als 7000 LPs. Für uns setzte er auch sein Amberol in Gang – und wir hörten mit ihm fast vergessene Musik an diesem fast vergessenen Ort.

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The headlights of the car illuminate drifting snow, boulders and brown grass. The first light of the morning shines over deep blue mountains. Fishing boats float on the dark waters of the fjord, just two points of orange light. We have reached the no man‘s land: The Westfjords.
Last year we met Thordur for the first time. We had been visiting his mother Ása, who is famous in the region for her songs and poems. And we made an appointment with Thordur. He knows this remote area like hardly anyone else: Thordur is the postman.
During the winter, the road leading to his farm is not cleared. He can only make the way to town with his heavy jeep or even with a snowmobile. A lorry driver leaves the post at a roadhouse close by. From there on, Thordur delivers it to the people living in the region. He drives nearly 300 kilometres per tour, for only around 15 farms.
We accompanied him during one of the trips. On our way, we met Sigurjon. The farmer has established one of the most complete record collections in Iceland, he has got more than 7000 LPs in his shelves. He also showed us his antique Amberol – and we listened to almost forgotten music in this almost forgotten place.

Sonntag, 10. November 2013

Himmelsschauspiel in Hvammstangi // Heven breaks in Hvammstangi

Wir stecken fest! Wegen des heftigen Windes fahren gerade keine Busse aus Hvammstangi nach Reykjavik. Glücklicherweise wird uns hier nicht langweilig. Der Schlüssel zum "Hot Pot" in Laugarbakki liegt im Briefkasten des Schwimmbads. Wer dort 300 Kronen zurücklässt, kann guten Gewissens auch nachts baden. Und die Aussicht stimmt auch …

© Torben Weiß

© Torben Weiß
We got stuck! Because of heavy winds there are no busses going between Hvammstangi and Reykjavik right now. Luckily, you do not get bored here. The key for the hot pot in Laugarbakki is deposited in the postbox of the swimming pool. If you leave 300 crowns, you can take a bath at night without regrets. And the view is alright, too …

Samstag, 9. November 2013

Besuch bei Bangsi // Visiting Bangsi

© Torben Weiß
© Torben Weiß
In Bangsis Keller ticken Schiffsuhren in goldener Fassung. Ölige Metallteile und allerlei Werkzeug liegen auf der Werkbank, dazwischen ein getrockneter Seeigel. Es riecht herb, nach Salz und Diesel, dazwischen mischt sich ein süßlicher Fischgeruch. Bangsi sitzt auf einem Hocker in der Ecke und zieht getrocknete Forellenstreifen durch eine ratternde Walze. Er fischt im Fjord seit er ein Kind ist, und nach 70 Jahren will er auch nicht mehr damit aufhören.
Die See hat ihn jung gehalten: Straff spannt sich die dünne Haut über das Gesicht, nur wenn er lacht zeigt sich an Wangen und Schläfen ein Geflecht dünner Falten. Von Frühjahr bis Herbst fährt er mit dem selbstgebauten, blauen Holzboot hinaus und legt die Netze aus. Seeforelle und Kabeljau zieht er dann aus dem Wasser – und manchmal auch einen Hai.

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Golden marine clocks tick in Bangsis basement. Oily pieces of metal and alls kinds of tools  lie on the workbench. Next to them: A dried sea urchin. It smells harsh, like salt and diesel mixed with the sweet smell of fish. Bangsi sits on a stool in a corner and pulls strips of dried fish through a rattling roller. He started fishing as a kid, and now, 70 years later, he does not want to finish anymore.
The sea kept him young. The skin in his face is smooth and thin, just when he laughs, a net of wrinkles appears on his cheeks and temples. From spring to autumn, he goes out fishing with his selfmade wooden boat. Most of the time he catches trout and cod. But sometimes, there‘s also a shark in the net.

Freitag, 8. November 2013

Pulloverbauen mit Torben

 

Schnipp, schnapp, surr: Pullover. Wir sind gerade in Hvammstangi und besuchen Irina und Kitti in ihrer Wollfabrik. Die beiden produzieren Islandwolle. Einen großen Teil der Stoffe verkaufen sie nach Russland, der Rest geht in die heimische Produktion. Als wir den riesigen Berg aus Reststoffen entdecken, packt Torben die Schneiderlust – dafür wagt er sich sogar hinter der Kamera vor.

Mit der Kreissäge 
die Wollmatten zerteilen.
Vorderseite, Rückseite und Ärmel entlang
der Schablone zurechtschneiden.

Der Kragen ist ein Extrastück.
Dann ab an die Nähmaschine.

Ready to go in 37 Minuten – uiuiui!



Mittwoch, 6. November 2013

Iceland Airwaves

Wir hängen ein bisschen hinterher mit unseren Beiträgen, aber das gleichen wir jetzt schnell aus. Versprochen. In Reykjavik war letztes Wochenende Iceland Airwaves. Fünf Tage Musik im Stadtzentrum von Reykjavik.

© Torben Weiß
Zum durchschnittlichen deutschen Sauf- und Abspack-Festival gibt aber es ein paar Unterschiede:
  • Bier ist unfassbar teuer in Island
  • Es ist die ganze Zeit über schweinekalt
  • Auf der gleichen Bühne spielen: Rapper, Elektromusiker, DJs, Death Metaller, Folkmusiker und jede denkbare Form von Crossover zwischen diesen Musikrichtungen
  • Es gibt (fast) keine superprominenten Headliner
  • Von den meisten Bands haben die Festivalbesucher noch nie gehört
  • Alle Konzerte sind Indoor und die meisten in der pompösen Konzerthalle Harpa
  • Es gibt eine App für die ganzen Digitalos, die nicht mehr auf Papier lesen
  • Niemand campt (na ja, außer wir)

Trotz oder gerade wegen dieser kleinen Unterschiede macht das Airwaves einen Heidenspaß. Mitunter wirkte das Festival allerdings etwas übersponsert und für die Touristenmeute aufgehipstert. Ein paar Isländer sehen das offenbar auch so (siehe Foto). Was "Fokkin Fokk" übersetzt heißt, muss man kaum erklären. Gut zu wissen ist hingegen, dass auf dem Eisblock vorher das Logo eines Hauptsponsors prangte – und eigentlich leuchtete das Ding auch noch. Morgens war das Graffiti dann wieder weg.

Damit ihr auch noch etwas vom Festival habt, hier unsere Lieblingsplaylist dieser Tage. Besser kann man es nicht machen, wir versuchen es daher gar nicht erst.

© Torben Weiß
In der Auswahl ist natürlich auch Ásgeir Trausti dabei. Hier in Rockstar-Pose im Studio, mit Produzent und Bandmember Kiddi und Hündin Tya. In Island ist Ásgeir schon ziemlich angekommen und gerade auf dem Sprung nach Europa. Wir waren ein paar Tage mit ihm unterwegs, bei Gelegenheit erzählen wir noch etwas ausführlicher davon. Bis dahin gibt es schon mal etwas zu hören:





© Torben Weiß

Mittwoch, 30. Oktober 2013

Zurück in Island // Back in Iceland

© Torben Weiß
Jetzt also wieder Island. Als uns am Flughafen von Reykjavik die erste Windböe die Kragen flattern lässt, kommen die Erinnerungen zurück. Im vergangenen Frühjahr hatten Torben und ich uns von einem aufziehenden Schneesturm über den Gebirgspass nach Seydisfjördur wehen lassen. Eine Stunde später war die Straße dicht – und damit der Weg zur Fähre gen Heimat. Das Zelt bauschte sich schon beim Auspacken zum Segel, es folgte eine ungemütliche Nacht, eingekeilt auf den Vordersitzen des Kleinwagens. Am nächsten Morgen war das Auto auf der einen Seite dick überfroren, auf der anderen hatte sich eine Schneewehe bis auf das Dach getürmt.
Ja, die schönen Erinnerungen kommen zurück. Wenn Torben morgens den Schnee vom Zelt klopfte. Wenn man nachts im Rucksack nach der langen Unterhose kramte, um sich morgens im Nieselregen Schafswurst und Bohnen zu kochen.
Jetzt sind wir wieder da. Es ist Herbst, aber die Jahreszeit gibt es in Island nicht so richtig. Die paar Bäume sind längst kahl. Es ist schon kalt, aber es wird noch einige Stunden hell. Wir sind wieder mit dem Zelt unterwegs. Nur diesmal ohne Auto …

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It‘s Iceland, again. The wind let‘s our collars flutter and the memories come back. Last spring, Torben and I have been blasted over the mountain road to Seydisfjördur by an uprising snow storm. One hour later, the road was blocked – and the way to the ferry home. The tent swelled to a sail before we even unpacked it. What followed was an unpleasant night, packed in the front seat of a tiny car. The next day, our car was covered by a thick layer of ice on the one side, on the other one a heavy bank of snow had risen up to the top.
Yeah, the nice memories come back. When Torben shook the snow from the tent in the mornings. When you searched for your long underwear in the middle of the night. Just to boil sheep sausage and beans in the drizzle at dawn.
Now, we are back. It‘s autumn, but that season does not really exist in Iceland. The few trees already lost their leaves. It‘s already cold, but there are still some hours of sunlight. We are sleeping in a tent, again. Though, this time, we don‘t have a car …

Sonntag, 13. Mai 2012

Lämmerzeit auf Bjarg // Lambing time on Bjarg

© Torben Weiß

© Torben Weiß

© Torben Weiß

© Torben Weiß
Das neugeborene Lamm liegt in einem Pappkarton auf dem Fußboden von Axels Küche, eingewickelt in eine dicke Wolldecke. "Es ist viel zu klein, nur zwei Kilo, halb so viel wie ein gesundes Tier", sagt Axel. Er beugt sich herunter, umfasst den kleinen Körper mit seinen Händen und reibt dem Lamm Bauch und Rücken. Es ist Vormittag, Axel hat tiefe Ringe unter den Augen. Die letzten Nächte waren kurz.
Die Frühlingsmonate sind die wohl anstrengendste Zeit für Landwirte in Island: Zwischen Mai und Juni werden die Lämmer geboren. Auf Axels Hof Bjarg ist in dieser Zeit rund um die Uhr jemand im Stall. 550 Schafe stehen dort, etwa 900 Lämmer werden sie zur Welt bringen. "In dieser Zeit liegen Leben und Tod eng beieinander", sagt Axel.
Am spätem Abend ist das kleine Lamm in seiner Küche auf die Beine gekommen, es hat sich in dem Karton aufgerichtet und kräht hungrig. Axel gibt dem kleinen Lamm die Flasche. Es ist kurz nach elf, sein Neffe ist jetzt bei den Schafen im Stall.  "Um vier Uhr braucht das Lamm noch mal Milch", sagt Axel. Dann beginnt für ihn der nächste Tag.

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The newborn lamb lies in a carton on the floor of Axel´s kitchen, wrapped in a thick, woolen blanket. "It is too small, only two kilos, half as much as a healthy animal", Axel says. He bends down, covers the small body with both hands and rubs back and belly of the lamb. It is late morning, Axel has dark shadows under his eyes. The past nights were short.
Spring is probably the most exhausting time for farmers in iceland: Between May and June, the lambs are born. On Axel's farm Bjarg, somebody is always in the stables during this season. 550 sheep are standing in there, which will give birth to about 900 lambs. "During this time, live and death lie closely together", Axel says.
In the late evening, the small lamb in his kitchen has raised to its hooves in the small carton. Axel feeds it milk with a baby bottle. It is shortly past eleven, Axels nephew is now with the sheep in the stable. "The lamb needs milk again at four o´clock", Axel says. That will be the beginning for his next day.